Der Anstieg von Dermal Fillers: Extreme oder neue Normalität?
Da passierte es also: Im letzten Jahr lud der kanadische Sänger The Weeknd ein Selfie auf Instagram hoch, auf dem er sich offenbar mehreren Runden von Dermal Fillern spritzen lies. Wir sehen ihn mit vollen Lippen, jugendlicher Haut, hochgezogenen Augenbrauen, schärferen Wangenknochen und einer definierteren Jawline (Kieferlinie). Das war es also, was sich unter all den Verbänden verbarg: Sein neues Instagram-Gesicht! Doch es war ein Fake. Denn er trägt für sein Musikvideo “Save Your Tears” bloss Prothesen.
Ein ähnlicher Trick wurde von der Make-up-Künstlerin Inge Grognard für die Balenciaga SS20-Show verwendet, bei der die Models mit verzerrten, geschwollenen Lippen und betonten Wangenknochen so aussehen sollten, als hätten sie Filler bekommen. Auch wenn die Umstände unterschiedlich sind, kommentieren beide unsere globale Besessenheit von «Verschönerungen”.
Inhaltsverzeichnis
- Dermal Fillers und Doppelmoral
- Die Förderung eines Bewusstseins könnte Leben retten
- Aufrechterhaltung von Schönheitsidealen
Laut der Global Survey der International Society of Aesthetic Plastic Surgery wurden 2019 weltweit 13,6 Mio. nicht-chirurgische Behandlungen durchgeführt – 4,3 Mio. davon mit Hyaluronsäure-Dermalfillern, was einem Anstieg von 15,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr und einem Anstieg von 50,6 Prozent seit 2015 entspricht. Das sind eine Menge Spritzen!
Im Vergleich zur plastischen Chirurgie sind Filler nicht invasiv, reversibel, relativ kostengünstig, haben nur eine minimale Ausfallzeit und werden von Stars unterstützt. Sie werden sogar als «lunch break nip» bezeichnet und mal eben schnell in der Mittagspause passiert. Dies führte dazu, dass Filler als Teil unserer Schönheitsroutine zur Normalität geworden sind.
Die ‘Tweakment’-Kultur ist etwas, über das wir schon seit einiger Zeit sprechen. Sie entstand aus dem Wunsch, in den sozialen Medien gut auszusehen, und aus unserem Lebensstil, bei dem wir ständig vor der Kamera stehen. Die Menschen haben sich an die Perfektion gewöhnt, die ihnen die Filter bieten, und erwarten, dass das echte Leben ihnen Lösungen bietet, die das nachahmen können. Und da wir die vergangenen 2 Jahre damit verbracht haben, uns selbst auf Zoom, Teams etc. anzustarren, wird sich das nur noch verstärken. Wo stehen wir also bei dieser Normalisierung?
Dermal Fillers und Doppelmoral
Kulturell gesehen neigt die Öffentlichkeit dazu, Filler und andere nichtkosmetische Eingriffe als Eitelkeit zu betrachten. Aber in Wirklichkeit können sie für das Selbstwertgefühl einer Person von entscheidender Bedeutung sein. Wir alle wollen besser aussehen. Doch ich würde behaupten, dass Selbstvertrauen der Hauptgrund ist, warum sich Menschen mit Dermalfillern behandeln lassen.
Viele Menschen suchen Hilfe bei medizinischen Problemen, die sich auf das Aussehen auswirken, wie z. B. sichtbare Narben oder Asymmetrien im Gesicht. Bei Transgender-Patienten kann es darum gehen, die Männlichkeit oder Weiblichkeit des Aussehens zu verändern, damit sie sich von der Gesellschaft akzeptiert fühlen.
Die Künstlerin Hatti Rees lässt sich seit Jahren Filler in die Lippen spritzen, um mit ihren Gefühlen der Geschlechtsdysphorie fertig zu werden. Für Rees geht es beim Unterspritzen nicht darum, besser auszusehen. Es geht ihr darum, ihrer Selbst treu zu bleiben. Sie lebt als nicht-binäre Person. Ausserdem lehnt sie die Vorstellung ab, dass die Veränderung des eigenen Aussehens mit einem geringen Selbstwertgefühl einhergeht.
Es erfordert tatsächlich Selbstvertrauen, seinen Körper zu verändern. Es ist mutig und kühn, so zu sein, wie man sein möchte.
Dr. Kelly Vasileiadou
Und doch ist die Behandlung mit Fillern mit einem Stigma behaftet, welches so weit geht, dass viele meiner Patienten mit nur ganz engen Freunden oder der Familie über ihre Behandlung sprechen – wenn überhaupt. Leute können sehr voreingenommen sein. Wie oft haben wir schon erlebt, dass Freunde oder Bekannte auf abfällige Art kommentieren, welche Eingriffe Prominente und Celebrities gemacht haben. Auch seitenlange Artikel und Vlogs lassen sich darüber aus.
Psychologen führen diese Stigmatisierung auf die Doppelmoral der Gesellschaft zurück, in der von Frauen ein bestimmtes Aussehen erwartet wird, um sie gleichzeitig für die Art und Weise, wie sie es erreichen, zu verachten. Solange sich die Art und Weise, wie wir Frauen verurteilen und jene beschämen, welche versuchen ihr Aussehen zu optimieren (oder eben auch nicht), wird es dieses Stigma weiterhin geben.
Der Begriff “Optimieren” ist ein schwieriger Begriff. Warum gilt das Auffüllen mit Fillern als Optimierung und als potenzieller Betrug, während das Auftragen von Make-up oder das Befolgen einer 10-stufigen Hautpflegeroutine als gesellschaftsfähig angesehen wird, obwohl wir wissen, dass dahinter viel Arbeit steckt? Durch die Normalisierung von Fillern müssen sich Menschen nicht mehr schämen, sondern werden in ihrer Entscheidung bestärkt, auf der Suche nach einem Selbstwertgefühl alles an ihrem Aussehen zu verändern. Es eröffnet auch einen Dialog darüber, warum sich Menschen überhaupt für eine Filler-Behandlung entscheiden.
Die Förderung eines Bewusstseins könnte Leben retten
In der Vergangenheit wurden ästhetische Behandlungen verteufelt – in einigen Fällen tatsächlich zu Recht, da es sich um eine unregulierte Branche, unerfahrene Ärzte oder nicht zugelassene Produkte handelte. Die Öffentlichkeit war und ist immer noch einem Risiko ausgesetzt.
Je mehr wir über Unterspritzungen erfahren, desto mehr sind wir uns der damit verbundenen Gefahren bewusst. Ein offener Dialog kann die Wirksamkeit, die Sicherheit und die Zufriedenheit der Patienten nur verbessern.
Aber natürlich ist die Sache komplizierter als das. Mit der Normalisierung von Fillern steigt auch deren Nachfrage, vor allem bei beeinflussbaren jungen Menschen. Und je zugänglicher diese sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei anfälligen Personen Gefühle der Dysmorphie, Unzufriedenheit und sogar Sucht auftreten. Auch hier hat die Verhaltenspsychologie einen Erklärungsansatz. Potenzielle psychologische Probleme treten am ehesten bei jenen auf, welche Dinge wie Lip-Filler, oder Filler generell ausprobieren, um sich besser zu fühlen und ihr schwaches Selbstwertgefühl zu stärken.
Aber auch hier könnte ein offener Dialog hilfreich sein. Mit mehr Bewusstsein wächst auch das Verständnis für diese potenziellen psychologischen Risiken. Wer sich an vertrauenswürdige Ärzte wendet, dem werden durchaus Grenzen aufgezeigt. Patientinnen dürfen zwar ihre Forderungen stellen. Doch es gehört zu den Aufgaben eines Arztes, seine Patienten aufzuklären.
Aufrechterhaltung von Schönheitsidealen
Das eigentliche Problem bei der Normalisierung von Fillern liegt vielleicht darin, dass dadurch ein neues, eng gefasstes Schönheitsideal geschaffen wird, das es anzustreben gilt. Vielleicht bietet es auch nur eine neue Möglichkeit, bestehende Ideale zu erreichen? Soziale Medien und Reality-TV ist voll von Menschen mit kosmetisch veränderten Gesichtern und Körpern, die sich als normale Menschen präsentieren.
Warum lassen sich Menschen Filler spritzen? Um die Zeichen des Alterns zu minimieren, um vermeintliche Unvollkommenheiten zu “korrigieren”, um das Selbstvertrauen zu stärken und um sich in ihrer Haut wohler zu fühlen. Die Aufforderung dazu entspringt einer Gesellschaft, die von uns verlangt, dass wir auf eine bestimmte Art und Weise aussehen – sei es, indem wir uns bestimmten Idealen anpassen oder indem wir sie unterlaufen.
Egal, ob wir Filler normalisieren oder nicht; solange wir nicht aufhören, Eigenschaften wie jugendliches Aussehen und idealisierten Vorstellungen von Schönheit einen Wert beizumessen, werden Menschen immer ihr Aussehen verändern wollen. Und Menschen für die Art und Weise, wie sie dies tun, zu verteufeln, wird nicht helfen.
Du möchtest dich informieren, wie mittels Dermal Filler die individuelle Schönheit eines Gesichts betont, oder dem Alterungsprozess des Gesichts entgegengewirkt werden kann? Lass dich beraten. Gemeinsam finden wir heraus, ob Dermal Fillers zu extrem oder eben auch für dich das neue Normal sind. Ich freue mich darauf, dich in einem persönlichen Beratungsgespräch kennenzulernen.
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